Der Umweltpreis der Stadt Linden wurde am 03. November 2015 zu gleichen Teilen an den OGV Großen-Linden und unser langjähriges Mitglied im erweiterten Vorstand Franz Hübner verliehen. Die von seinem Nachbarn, Freund und ebenfalls NABU-Aktivisten verfasste Laudatio spannt den Bogen von der globalen Situation zum lokalen Handeln. Infolge der großen Resonanz auf diese Rede wird sie hier nachfolgend vorgestellt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stehend von links nach rechts:

Stadtverordnetenvorsteher Ralf Burckhart, Preisempfänger 1.Vorsitzender Hans-Dieter Leschhorn für den OGV, Redner für den OGV Jörg Sennstock, 2.Vorsitzender OGV Michael Cavael, Preisempfänger NABU-Mitglied Franz Hübner, Redner für den NABU Wolfgang Schauss, Bürgermeister Jörg König

Laudatio für Franz Hübner


Einen guten Abend, meine Damen und Herren, sei gegrüßt, lieber Franz,

 

mir steht die ehrenvolle Aufgabe zu, eine Laudatio zu halten, eine Lobrede auf Dich, eine für mich ungewohnte Aufgabe, und ich muss gestehen, ich bin ein bisschen nervös, eine ungewohnte Perspektive auch für Dich, denn als Nachbarn seit über dreißig Jahren sind wir es gewohnt, auf einer anderen Ebene zu kommunizieren. Ich weiß, was Du von Schwätzern hältst, wie ich heute Abend einer bin, weiß auch, dass Du lieber mit Hammer und Nägeln, Schraubenschlüssel und Schrauben die Zeit verbringst als mit dem Anhören ein paar wohlklingender Worte. Gleichwohl bitte ich Dich und bitte Sie alle um Nachsicht ob eventuell eintretender Ungeschicklichkeiten und vor allen Dingen um ein wenig Geduld.

 

Es vergeht kaum ein Tag, an dem uns Menschen in den westlichen Industriestaaten nicht die Bewunderung für irgendeinen Rekord abgenötigt wird. „Höher, schneller, weiter ist nicht nur die Devise und das Credo olympischer Sportler, der Superlativ regiert in alle Bereiche unseres Lebens hinein. Ich brauche Ihnen deshalb nicht das Guinness – Buch mit seinen bizarren Höchstleistungen zu zitieren. More/mehr ist das magische Wort, unter dem künftige Generationen unsere Zivilisation zusammenfassen werden können.

 

Unsere Rekordsucht bestaunt selbst noch Naturkatastrophen, die für Menschen in anderen Regionen der Erde Unheil und Tod bringen. Sie banalisiert und nivelliert Hitzerekorde in den subtropischen Wüsten Afrikas oder die Gewalt eines Hurricanes, der mit Geschwindigkeiten von 300 – 400 Stundenkilometern durch die Karibik peitscht. Auf diese Weise lässt sich sensationslüstern und ohne Hinterfragen des jeweils eigenen umweltschädigenden Verhaltens verdrängen, dass diese verheerenden Rekorde auch menschengemacht sind.

 

Viele Menschen scheinen sich indes daran gewöhnt zu haben, dass hier ein Landstrich unbewohnbar gemacht wird (Wir kennen dies durch die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima), ein ganzes Ökosystem vernichtet wird (im brasilianischen Amazonasgebiet wütet der landfressende Kapitalismus und entwaldet gigantische Flächen) oder eine weitere Tierart ausstirbt (die Liste der in ihrem Bestand bedrohten Tierarten wird immer länger).

 

Auch in unserem Land, in unserer Stadt rücken wir der Umwelt und der Natur bedrohlich auf den Leib: Immer mehr Wiesen und Äcker verschwinden unter Beton und Asphalt, Tiere verlieren ihren Lebensraum. Als ich vor etwa 30 Jahren nach Linden kam, brüteten in den Lückebachwiesen noch Kiebitze, in Ackerfurchen saßen Feldhasen und Rebhühner, Lerchen trillerten im Frühjahr über dem Land. Und heute? Agrarbrache und Industriegebiete zeichnen zunehmend das Gesicht unserer Landschaft.

 

Für viele Erwachsene und Kinder ist das Wochenende verplant mit Shoppen in Supermärkten und Malls, viele Mitmenschen sehen die Welt ausschließlich durch die Windschutzscheibe ihres Autos, vermutlich noch eines spritsaufenden SUVs, ein Sonntagsspaziergang im Wald ist hingegen für viele junge Menschen zu anstrengend oder nicht cool genug. Ein Jeder möge sich selbst fragen, wie lange sein/ihr letztes intensives Naturerlebnis zurückliegt.

 

Der heute ausgelobte Träger des Umweltpreises der Stadt Linden, Franz Hübner, unser Fränzi, wie er liebevoll genannt wird, scheint demgegenüber aus der Zeit gefallen. Er und wir anderen Betreuer der NAJU-Kindergruppe nehmen wahr, wie gedankenlos wir alle, aber besonders unsere Kinder, der Natur und natürlichen Abläufen entfremdet werden und versuchen demgegenüber eine sinnvolle Alternative zu bieten.

 

Der NABU Linden und die Partei der Grünen haben Franz Hübner unter anderem deshalb für den Umweltpreis der Stadt Linden vorgeschlagen und sind den Entscheidungsgremien überaus dankbar, dass sie 1. mit der Auslobung unter Beweis stellen, dass Sie die Belange der Natur nicht ignorieren und 2. dass sie unserem Vorschlag gefolgt sind, weil wir davon überzeugt sind, dass er diesen Preis aufrichtig verdient hat, weil seine vielfältigen tatkräftigen Einsätze für den Schutz und den Erhalt der uns umgebenden Natur vorbildlich sind.

 

Ich persönlich kenne keinen anderen Menschen, für den der aus dem Gebrauch gekommene Wert der „Naturliebe“ von derart inniger Bedeutung ist wie ihm. Wir sehen sein strahlendes Lachen, wenn er im Frühsommer den Niströhren der Steinkäuze die Jungtiere entnimmt und feststellt, dass alle von ihm hergestellten Röhren mit Jungen belegt sind. Er ist glücklich, wenn der Eisvogel am Lückebach die von ihm gebaute Nistwand angenommen hat oder wenn nach langer Zeit und langfristigen Bemühungen endlich wieder die Störche in unsere Wiesen eingeflogen sind.

 

Ob ein Steinkauz aus einem engen Kamin befreit, ein Rind aus dem Schlamm am Lückebach gezogen oder ein Siebenschläfer umgebettet werden muss – Franz Hübner ist mit Eifer und Freude zur Stelle.

 

Andererseits: Wenn die Schleiereulen wieder nicht im Kirchturm brüten , ein durch ein Auto zu Tode gekommenes Reh im Straßengraben verendet liegt oder seine Nisthilfen von Rabauken zerstört auf dem Boden liegen– keiner ist trauriger als er.

 

Franz versteht die Tiere, aber die Tiere verstehen nicht immer ihn, so zum Beispiel die Milben und Flöhe in den Nistkästen, die er behutsam umzusiedeln versuchte, die dies jedoch als Angriff werteten und Franz mit schwarzem Undank und einer nicht geringen Anzahl von Stichen nach Hause entließen. Oder der Siebenschläfer, der seinen Unterschlupf in illegaler Weise in einem Nistkasten gesucht hatte und ihn – in seiner Winterruhe nachhaltig gestört – zu seinem Erschrecken heftig seine Meinung sagte und anfauchte. Auch die Rötelmaus, die seine Bemühungen um sie fehlinterpretierte und ein warmes Zuhause in seinem Unterhemd suchte. Doch Franz trägt das mit Gelassenheit und Humor.

 

Franz Hübner ist an der Rindsmühle in Leihgestern aufgewachsen und mit der heimischen Natur von seiner Kindheit an innig vertraut, er kennt den Wald besser als seine Westentasche(nebenbei erwähnt: Brieftasche und Portemonnaie sind ihm nie von großer Bedeutung gewesen, für ihn sind es nahezu Fremdwörter), ein Tag ohne Wald ist für ihn ein verlorener, und er ist jedes Mal niedergeschlagen und empört, wenn er Müll findet, den Umtweltfrevler im Wald dreist entsorgt haben. Das Volumen der von ihm vorgenommenen Müllentsorgung würde zweifellos die Ladefläche mehrerer Lastwagen füllen, und nicht selten setzt er sich dem mitleidigen Grinsen überheblicher Zeitgenossen aus, wenn er wieder einmal verdrossen und mit Müll beladen aus dem Wald kommt.

 

Franz Hübner ist seit über 30 Jahren im NABU Linden aktiv – nicht ostentativ nach außen sichtbar, er arbeitet selbstlos und meistens von Anderen unbemerkt : Das Anbringen und Säubern von Nistkästen, Bruthilfen für Uferschwalben in der Grube Steinmüller, Arbeiten am Wasserhaus und der Trafostation in Großen Linden, das Anbringen von Kotbrettern für Schwalben , das Aufstellen von Krötenzäunen und nicht zuletzt die Weitergabe seines Wissens an die Kinder vom NAJU sind seit 1986 seine Aktivposten.

 

Franz Hübner ist kein Intellektueller, er führt keinen Titel in seinem Namen, er ist ein bescheidener Mensch mit einem großen Herz für die Natur, ein Mensch, der instinktiv eines begriffen hat und sein Handeln an einer Erkenntnis orientiert:

 

Die Biosphäre ist vergleichbar mit dem filigranen Gewebe eines großen Spinnennetzes, das trotz seiner scheinbaren Fragilität überaus robust ist und lange Zeit stabil bleibt, auch wenn durch unsere Technologien und den technischen Fortschritt immer mehr feine Fädchen gekappt werden, bis, ja bis so viele feine Fädchen mutwillig zerrissen worden sind, dass das ganze Gebilde kollabiert. Die vielverspottete Gelbbauchunke und der Schwarze Storch mögen Ignoranten zur Diffamierung und dem Verspotten von Umweltschützern dienen. Doch mit jeder Zerstörung eines natürlichen Lebensraumes, der Auslöschung eines jeden Tieres wird – wenn auch nur ein kleines – Fädchen aus dem Netz der Natur gekappt. Beantworten Sie sich selbst die Frage, wie weit unsere Erde von einem Umweltkollaps entfernt ist, wie viel Frevel sie noch verträgt.

 

Franz Hübner sollte in einer Weise für uns alle ein Vorbild sein: Für ihn ist jedes noch so kleine Tier überlebenswürdig, jedes Habitat wichtig und erhaltenswert, keine Anstrengung zu viel, wenn er einen Dienst an der Natur leisten kann.

 

Selten hat er für irgendeinen ausdrücklichen Dank für seine selbstlose Hilfe, seine Ratschläge und seine Betreuung erhalten, nie eine materielle Belohnung – und genau aus diesem Grund hat er diesen heute zu verleihenden Preis verdient.

 

Ich glaube, ich darf im Namen meiner NABU-Freunde in der Stadt Linden und die Grünen für die Auslobung dieses Preises meinen aufrichtigen Dank aussprechen, auch für die salomonische Entscheidung des Magistrats, dass dieser Preis in diesem Jahr an zwei Träger verliehen wird.

 

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.